Emotionale Abhängigkeit in der Partnerschaft/Beziehung – Wie kann ich mich lösen?

Stellen Sie sich dem Thema emotionale Abhängigkeit, um glückliche und zufriedene Beziehungen zu führen Stockfoto-ID: 222634861 Copyright: Ivanko80, Bigstockphoto.com
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Emotionale Abhängigkeit in Partnerschaftsbeziehungen kommt in unterschiedlich starker Ausprägung vor. Doch wann spricht man überhaupt von Emotionaler Abhängigkeit?

Verlieben sich zwei Personen ineinander und gehen in eine Partnerschaft, begeben sie sich gewissermaßen auch in Abhängigkeit vom Partner, doch das ist nicht das was mit einer Beziehungsabhängigkeit gemeint ist.

Eine gewisse wechselseitige Abhängigkeit ist in einer Partnerschaft durchaus normal und ein stabilisierender Faktor. Solange die Abhängigkeiten auf beide Seiten verteilt und nicht so stark sind, dass einer der Beteiligten meint er könne nicht ohne den anderen Leben, ist alles im üblichen Rahmen.

In einer „abhängigen Beziehung“ gibt es keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Meist herrscht ein Ungleichgewicht zwischen beiden Partnern. Häufig ist einer der beiden Personen emotional instabil, während die andere die Partnerschaft zu stabilisieren versucht und dabei viel Liebe, Zeit, und manchmal auch Geld, in die Beziehung steckt – immer in der Hoffnung, dass sich die von Misstrauen, Eifersucht und emotionaler Erpressung geprägten Beziehungsprobleme irgendwann verbessern werden. Aber sie tun es nicht, eher das Gegenteil ist der Fall.

Für Außenstehende ist dabei oft unverständlich, warum die problematische Beziehung über lange Zeiträume aufrechterhalten wird und der emotional abhängige Partner womöglich sogar den anderen Partner gegenüber dem Umfeld verteidigt.

Beim Beziehungsabhängigen löst dagegen der Gedanke an Trennung massive Panik aus, so dass er alles versucht, um in der bestehenden Beziehung verbleiben zu können. Häufig kommt es nach und nach zu einer sozialen Isolation, was die Problematik meist eher noch verschärft.

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Welche Ursachen liegen Beziehungsabhängigkeit zugrunde?

Es sind vor allem bindungsunsichere Persönlichkeiten, die gefährdet sind eine Beziehungsabhängigkeit zu entwickeln. Die Ursachen für eine Bindungsunsicherheit sind oft in ungünstigen Erfahrungen in der Kindheit zu suchen.

Wir alle sind, sobald wir geboren sind, in den ersten Lebensjahren extrem von anderen Personen abhängig, die uns ernähren, schützen, wärmen. Kein Säugling würde die erste Zeit überstehen, hätte die Natur nicht für eine emotionale Bindung gesorgt, die sicherstellt, dass Erwachsene aus Liebe ein Baby umsorgen.

In der Regel sind dies die Eltern oder zumindest andere Erwachsene aus dem familiären Umfeld. Erfährt ein Säugling in dieser extrem abhängigen Lebensphase, dass er sich darauf verlassen kann, Liebe und alles andere was er braucht in ausreichendem Maße zu bekommen, wird er sich wahrscheinlich zu einer bindungssicheren Persönlichkeit entwickeln.

Auch wenn seine Bezugspersonen nicht permanent da sind, wird das Kind nicht klammern oder auf Trennungen panisch reagieren, weil es sich der Liebe der Bezugspersonen sicher sein kann. Es weiß, dass sie zurückkommen werden und es nicht verlassen worden ist.

Ein Kind das so heranwächst, wird sich nach und nach aus der anfänglichen Abhängigkeit lösen und abnabeln. Die Chancen, dass es zukünftig zwar nicht problemlose aber stabile Partnerschaften eingehen wird sind gut, das Risiko, dass es zu einer Bindungsabhängigkeit neigen wird eher gering.

Unsichere Bindungen in der Kindheit

Wird ein Säugling oder Kleinkind häufig von seinen Bezugspersonen getrennt, etwa weil es durch die Berufstätigkeit der Eltern schon früh in eine Krippe oder zu einer Tagesmutter gegeben wird oder aber beispielsweise wegen längerer Krankenhausaufenthalte der Bezugsperson, kann es stark verunsichert werden.

Auch wenn die Bezugspersonen zwar körperlich anwesend sind, aber die Bedürfnisse des Kindes nach Zuwendung, Anerkennung nicht angemessen stillen oder stillen können, kann dies dazu führen, dass sich das Kind ihrer Liebe nicht sicher ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Bezugspersonen unter psychischen, körperlichen oder wirtschaftlichen Problemen leiden, die sie stark beschäftigen, aber auch, wenn aus vermeintlich erzieherischen Gründen ein Säugling lange schreien muss, bis endlich jemand kommt.

Es kann sein, dass ein Kind als Reaktion auf solche Erfahrungen mit stärkerer Panik auf Trennungen reagiert und sich besonders stark an Bezugspersonen klammert. Seine Entwicklung vom abhängigen Wesen zu einem autonomen Subjekt, was das Endziel des Heranwachsenden ist, kann dadurch stark beeinträchtigt werden.
Besonders starke negative Auswirkungen haben Missbrauch und Vernachlässigung.

Wie emotionale Abhängigkeit entsteht

Macht ein Kind solche verunsichernden Erfahrungen in den ersten, prägenden Beziehungen kann dies dazu führen, dass es ein bindungsunsicherer Mensch wird. Das muss nicht zwangsläufig so sein, denn es gibt auch robuste Naturen, die solche frühkindlichen Erfahrungen wegstecken.

Bei psychisch nicht ganz so stabilen, sehr sensiblen Kindern erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kindheitserfahrungen negative Auswirkungen auf ihr späteres Bindungsverhalten haben.

Unsichere Bindungen im Kindesalter können viele Folgen haben, darunter:

  • geringeres Selbstwertgefühl
  • Trennungsangst und Klammern
  • ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung durch andere

Übertragung der Kindheitserfahrungen auf die Partnerschaft

Da die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Bezugserfahrungen das erste Beziehungsmodell ist, dass der Mensch erlebt verwundert es nicht, dass es auch auf Liebesbeziehungen und Partnerschaften übertragen wird. Sie belasten die ersten Partnerschaften, die dann vielleicht durch die psychische Vorprägung zu Beziehungsproblemen und Trennungen führen. Aufgrund dieser Verlusterfahrungen, werden die Verlustängste wiederum größer.

Zu den oben genannten Folgen können bei einer ungünstigen Entwicklung im Laufe der Zeit weitere dazu kommen:

  • Neigung zu Eifersucht und Kontrolle, da der Liebe des Partners nicht vertraut wird
  • eine Neigung, sich der Liebe des Partners ständig zu versichern
  • Anpassung an den Partner aus Angst sonst nicht geliebt zu werden

Bei bindungsunsicheren Menschen hat die Partnerschaft oft einen besonders starken Stellenwert im Leben. Manchmal scheint sie fast der einzige Lebensinhalt zu sein. Der eigene Wert wird über den Partner definiert, das Fortbestehen der Partnerschaft zum einzigen Ziel und sei es durch Aufgabe der eigenen Wünsche, Meinungen und Bedürfnisse.

Vermeintlicher oder tatsächlicher Mangel an Liebe und Anerkennung durch den Partner wird als Bestätigung dafür angesehen, nicht liebenswert zu sein und nähren die Angst, dass die Trennung vermutlich kurz bevorsteht.

Aus dieser Sicht wird eine instabile Beziehung als permanente Bedrohung erlebt. Schnell entsteht eine negative Spirale, die in eine immer größere emotionale Abhängigkeit führt. Unter Umständen verschlimmert das Verhalten des Partners diese Spirale, vielleicht weil er im Versuch zu helfen, dem Abhängigen zu viel abnimmt und er dadurch keine Entwicklungsmöglichkeiten hat. Möglicherweise versucht er aber auch aus der Abhängigkeit des Partners seinen Nutzen zu ziehen.

Wege aus der Emotionalen Abhängigkeit

Wenn Sie in einer abhängigen Beziehung leben, mag es für Sie so aussehen, als hätten Sie keine Möglichkeit Ihre Situation zu verbessern, doch das Gefühl trügt. Zwar können Sie Ihren Partner nicht ändern, aber sie können jederzeit damit anfangen sich selbst zu ändern, auch wenn dies vielleicht etwas Mut und Kraftanstrengung von Ihnen verlangt.

Aber Ihr Einsatz wird Auswirkungen nicht nur auf Sie, sondern auch auf das Gleichgewicht in Ihrer Partnerschaft haben. Und während Sie, wenn Sie so weitermachen wie bisher, den Status quo nähren und sich nichts zum besseren ändern kann, kommt durch die Änderung Ihres Verhaltens etwas ins Rollen, es entstehen Chancen für Entwicklungsmöglichkeiten.

Was also können Sie tun, um sich aus Abhängigkeit zu befreien und Ihre Lebenssituation zu verbessern? Eine ganze Menge!

1. Schonungslose Analyse der aktuellen Situation

Beginnen Sie mit einer Analyse der Situation. Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen und Vorwürfe, sondern darum, innerlich einen Schritt zurückzutreten und zu sehen was ist. Ziehen Sie eine ehrliche Bilanz Ihrer Partnerschaft.

Vielleicht mögen Sie dies schriftlich tun, dann besorgen Sie sich am besten ein Notizheft oder dergleichen, das Sie auch nutzen können, um einige Punkte unter 2. zu bearbeiten. Die schriftliche Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hat oft einen stärkeren Nutzen als wenn Sie sich nur in Gedanken damit befassen.

Folgende Fragen können Sie sich stellen:

• Welchen Anteil habe ich an dieser Abhängigkeitsbeziehung?

Wie bereits erwähnt geht es in diesem Punkt nicht um Schuldzuweisungen oder Selbstvorwürfe, sondern darum, die Mechanismen zu erkennen, die eine Abhängigkeitsbeziehung in der Form am Laufen halten, wie sie gerade besteht. Wenn Sie diese Mechanismen erkennen, können Sie sie leichter durchbrechen.

Auch in einer schwierigen oder unglücklichen Partnerschaft gibt es einen der sich in einer bestimmten Weise verhält und einen der dies auch zulässt beziehungsweise durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass die Beziehung in der bestehenden Form weiter so läuft wie bisher.
Indem Sie genau hinsehen, welche Prozesse zwischen Ihnen und Ihrem Partner ablaufen und welchen Teil Sie dazu beitragen, um den Status quo zu erhalten, haben Sie schon einen allerersten Schritt getan, dies zukünftig nicht mehr zu tun.

Ziehe ich in irgendeiner Form einen vermeintlichen Nutzen aus der Abhängigkeit?

Diese Frage klingt seltsam, oder? Stellen Sie sich diese Frage bitte trotzdem, denn sie ist wichtig. So ein Nutzen kann beispielsweise die Aufmerksamkeit oder das Mitgefühl sein, das Sie von anderen bekommen, weil Sie in einer solch schwierigen Partnerschaft leben. Oder aber, dass Ihr Partner aufgrund seines schlechten Gewissens phasenweise dann besonders zuvorkommend ist oder sie stark verwöhnt und sie dies genießen.

Falls Sie irgendeinen Nutzen finden, dann verurteilen Sie sich bitte nicht. Darum geht es nicht und das würde Ihnen auch nicht weiterhelfen – im Gegenteil. Sie können sich so aber bewusst werden, wo Sie einen Mangel empfinden und sich deshalb in diesem Teufelskreis befinden.

Und da Sie dies nun erkannt haben, können Sie daran arbeiten, die Ursachen für dieses Mangelempfinden herauszufinden und nach Möglichkeiten suchen Ihre Bedürfnisse auf eine emotional gesündere Weise zu befriedigen.

Warum wünsche ich mir, dass sich etwas ändert?

Das ist eine weitere Frage, die Sie sich stellen sollten. Ist der Leidensdruck so groß geworden, dass sich etwas ändern muss? Sehr gut, denn Sie werden etwas Kraft, Mut und Ausdauer aufwenden müssen, um sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Das gelingt umso besser, desto klarer Ihnen ist, warum Sie etwas ändern wollen und welches Ziel Sie erreichen wollen.

2. Erhöhen Sie schrittweise Ihre emotionale Unabhängigkeit

Konzentrieren Sie sich mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse. Ob Sie den lang schon ersehnten Töpferkurs oder einen Sprachkurs besuchen, ins Schwimmbad gehen, sich einer Walking-Gruppe anschließen oder was auch immer, ist dabei erst einmal zweitrangig.

Es sollte etwas sein, das Sie interessiert oder Ihnen Spaß macht. Dies führt einmal dazu, dass der übergroße Stellenwert, den die Partnerschaft bis jetzt in Ihrem Leben hatte im Vergleich etwas kleiner wird und führt überdies dazu, dass über positive Erlebnisse Ihr Selbstwertgefühl verbessert.

Körperliche Bewegung ist auf jeden Fall eine sehr gute Möglichkeit die eigene Kraft und Lebendigkeit zu spüren und zu stärken. Und während Sie sich sportlich betätigen, kommt auch Ihr Seelenleben in Bewegung.

Lernen Sie in kleinen Dingen selbstbestimmt zu handeln. Anstatt um des lieben Friedens Willen sich einfach der Meinung des Partners anzuschließen, bilden Sie sich eine eigene Meinung und fassen einen Entschluss, den Sie Ihrem Partner auch mitteilen. Bleiben Sie dabei und setzen Sie Ihren Entschluss um. Vergessen Sie nicht, anschließend stolz auf sich zu sein, denn Sie haben gerade einen wichtigen Schritt getan. Falls Sie ein Notizheft führen, schreiben Sie doch Ihren Sieg über Ihre Ängste ruhig auf. Ein Beispiel: Falls Sie üblicherweise aus Konfliktscheu einen Kaffee trinken, wenn Ihr Partner Kaffee trinkt, obwohl Sie eigentlich lieber Tee trinken, dann stehen Sie zu Ihren Bedürfnissen und trinken Tee. Fangen Sie mit kleinen aber bewussten Entschlüssen an, um nach und nach zu größeren Entschlüssen überzugehen.

Aktivieren Sie alte Wünsche und Begabungen wieder, die Ihnen früher Spaß gemacht haben. Vielleicht möchten Sie aber auch neue Bereiche für sich erkunden, die Sie schon immer interessant fanden. Lernen Sie eine neue Sprache oder fangen Sie ein neues Hobby an.

3. Holen Sie sich Unterstützung aus Ihrem Umfeld

Um sich aus einer emotionalen Abhängigkeit zu lösen, ist Unterstützung durch das Umfeld sehr hilfreich, sofern sie nicht dazu führt, dass er unheilvolle Kreislauf in der bisherigen Form aufrechterhalten wird. Leider hat Beziehungsabhängigkeit oft zur Folge, dass Betroffene mehr und mehr isoliert sind. Sofern Sie noch Freunde haben, gehen Sie auf diese zu und fragen Sie um Unterstützung. Hilfreich können auch Selbsthilfegruppen sein, in denen sich Betroffene austauschen und gegenseitig unterstützen können.

4. Scheuen Sie sich nicht, auch professionelle Hilfe zu suchen

Stellen Sie fest, dass Sie alleine nicht aus dem Teufelskreis ausbrechen können, so sollten Sie nicht zögern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Wichtig dabei ist jedoch, dass Sie die Bereitschaft mitbringen, Ihre Situation tatsächlich verbessern zu wollen und die Verantwortung für Ihre Fortschritte und Ihr Wohlergehen dann nicht auf Ihren Therapeuten übertragen.

Sie sind für Ihren Heilungsprozess verantwortlich. Andere können Ihnen Hilfestellung geben und Sie unterstützen, aber die einzelnen Schritte zu mehr Unabhängigkeit müssen Sie schon selber gehen, das kann kein anderer für Sie übernehmen.

Mehr zum Thema Emotionale Abhängigkeit in der Partnerschaft und den Wegen, sich aus solchen Abhängigkeiten zu lösen, lesen Sie unter anderem in diesen Büchern:

  • Howard Halpern: Liebe und Abhängigkeit. Wie wir übergroße Abhängigkeit in einer Beziehung beenden können. Iskopress 2015
  • Robin Norwood: Wenn Frauen zu sehr lieben: Die heimliche Sucht, gebraucht zu werden. Rowohlt Taschenbuch Verlag 1991
  • Heinz-Peter Röhr: Wege aus der Abhängigkeit – Belastende Beziehungen überwinden. Patmos Verlag 2015